Bayerischer Innovationspreis Gesundheitstelematik (BIG) 2016

Bayerischer Innovationspreis Gesundheitstelematik (BIG) 2016

Gerne möchten wir Ihnen hier die drei Gewinner des diesjährigen Bayerischen Innovationspreises Gesundheitstelematik vorstellen.

Platz 1: Projekt "SAVE"


Projekt SAVE
     
Den ersten Platz des diesjährigen Bayerischen Innovationspreises Gesundheitstelematik sicherte sich Frau PD Dr. med. Katharina Hohenfellner mit ihrem Projekt „SAVE“ - Telemedizinisches Konzept zur Optimierung von Diagnose und Therapie, unter Berücksichtigung von Transition und Versorgungsforschung seltener Erkrankungen.


Seltene Erkrankungen betreffen in Deutschland ca. 4 Millionen Menschen. Erkrankungen werden in der EU als selten bezeichnet, wenn sie mit einer Inzidenz von 1:2000 auftreten. Es handelt sich um eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die häufig im Kindesalter beginnen, chronisch verlaufen und mit Invalidität bzw. verkürzter Lebenszeit einhergehen. Sie sind überwiegend nicht heilbar und mit systemischen Manifestationen verbunden.

Eine häufige Multiorganbeteiligung macht die Einbindung mehrerer Fachrichtungen notwendig. Die Zusammenführung und Weitergabe aller Informationen aus den entsprechenden Spezialambulanzen an die betreuenden Ärzte vor Ort und umgekehrt, gestaltet sich sehr aufwendig und ist nicht gesichert. Aber gerade bei diesen Patienten, bei denen der behandelnde Arzt vor Ort aufgrund der geringen Fallzahlen keine eigene Expertise entwickeln kann, sind eine enge Anbindung an erfahrene Behandlungszentren und die Vermittlung der klinischen Erfahrung von zentraler Bedeutung. Nur durch eine kontinuierliche Betreuung auf entsprechend hohem Niveau während und über die Transition hinaus, besteht die Möglichkeit eine selbstbestimmte Lebensführung zu erreichen und zu erhalten.
Ein telemedizinischer Ansatz zur Lösung dieser Strukturprobleme ist bisher noch nicht verfügbar. Mit dem telemedzinischen Tool „Basis-Sonographie" konnte gezeigt werden, dass eine strukturierte Dokumentationssoftware die Datenerfassung verbessert und unter Wahrung des Datenschutzes auch eine Datenzusammenführung über das Internet ermöglicht, mit den sich daraus ergebenden Möglichkeiten des Telekonsils, des Telemonitorings (Versorgungsforschung), der ortsunabhängigen Befundübermittlung und der Teleschulung. Durch die Verknüpfung der Patientendaten auf dem Server, besteht die Möglichkeit auf alle erhobenen Daten zuzugreifen. Die Schnittstelle zu einer Datenbank und die Hinterlegung von Statistikprogrammen erlaubt eine Versorgungsforschung.

2012 wurde in der Kinderklinik Traunstein gemeinsam mit der Patientenselbsthilfe ein interdisziplinäres Cystinose-Zentrum zur Behandlung von Kindern und Erwachsenen etabliert. Die Patienten werden im Rahmen der Sprechstunde von 14 unterschiedlichen Fachdisziplinen innerhalb von 6 Stunden gesehen. Inzwischen sind 70 der ca. 120 In Deutschland lebenden Cystinose Patienten in Traunstein bekannt. Geplant ist für diese Erkrankung die bestehende telemedizinische Plattform zu adaptieren und die Erfahrungen, die sich aus der klinischen Betreuung ergeben haben, mitaufzunehmen. Diese Plattform kann über den bisherigen Anwendungsbereich hinaus exemplarisch zur Versorgung von Patienten mit anderen seltenen Erkrankungen dienen und entsprechend angepasst werden.

Die klinische Versorgung dieser Patientengruppe hat gezeigt, dass folgende Anforderungen, die exemplarisch für viele andere Patienten mit einer seltenen Erkrankung stehen, bewältigt werden müssen:

•    Sehr seltene Erkrankungen sind oft mit einer Multisystembeteiligung verbunden und erfordern daher die Einbindung unterschiedlicher Berufsgruppen bzw. die Inanspruchnahme verschiedener Ambulanzen.
•    Die Dokumentation muss einerseits den Bedürfnissen der Experten gerecht werden und andererseits für den betreuenden Arzt mit der Beurteilung adäquat zusammengefasst und bewertet werden.
•    Mit der Komplexität der Betreuung kommt der transparenten Zusammenführung aller Informationen eine zentrale Bedeutung zu, da nur so das vielschichtige Therapiekonzept adäquat an die betreuenden Ärzte vor Ort vermittelt werden kann.
•    Eine geordnete Transition beim Übergang vom Kindes- in das Erwachsenenalter ist bei seltenen Erkrankungen bisher nicht gewährleistet.
•    Seltene Erkrankungen erfordern in besonderem Maße Versorgungsforschung zur Verbesserung ihrer Prognose und Therapie. Die Möglichkeit der Weiterleitung standardisiert erhobener Daten an ein Zentrumsregister oder ein internationales Register ist hierfür Voraussetzung, da nachträglich erhobene Daten mit großem Aufwand und erheblichen Unschärfen verbunden sind.

Zur Lösung dieser strukturellen Probleme soll, das bestehende telemedizinische Konzept, das bereits in der Anwendung evaluiert wurde, für die infantile nephropatische Cystinose - exemplarisch fuer seltene Erkrankungen - adaptiert werden.

Platz 2: Projekt "TeleClinic"


Projekt TeleClinic
     
Den zweiten Platz des BIG 2016 belegte Frau Katharina Jünger mit dem Projekt TeleClinic.


Das medizinische Versorgungssystem in Deutschland genießt international einen guten Ruf, weist aber in vielerlei Hinsicht noch erhebliches Verbesserungspotential auf. So ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK), dass sich nur gut jeder dritte Deutsche bei seinem behandelndem Arzt angemessen über Chancen und Risiken oder Behandlungsalternativen aufgeklärt fühlt. Lediglich 36% der ca. 2000 Befragten gaben an, dass sie sich voll und ganz informiert fühlten, als sie sich das letzte Mal einer ernsteren medizinischen Behandlung unterziehen mussten. Vor allem junge Versicherte sind besonders unzufrieden mit den Leistungen der Krankenkassen. Als vorderster Grund wird die steigende Prämie genannt. Auch für Versicherte höheren Alters oder mit chronischer Krankheit sind lange Wartezeiten im Wartezimmer, beschwerliche Anreisen zum Arzt oder sogar das Miteinbeziehen Dritter, um überhaupt erst zum Arzt zu kommen, eine sehr unbefriedigende Situation. Darüber hinaus stellt die fehlende Orientierung von Patienten ein schwerwiegendes Problem im deutschen Gesundheitssystem dar. Einerseits leidet darunter die Qualität der medizinischen Versorgung, z.B. wissen Patienten nicht welcher Arzt zuständig ist, scheuen Wartezeiten und Anfahrt. Andererseits tragen die Ausgaben durch die fehlende Orientierung der Patienten zu den ansteigenden Kosten im Gesundheitssystem bei.

Das alles hat dazu geführt, ein neues, digitales, innovatives Konzept im Bereich Telemedizin zu entwickeln. TeleClinic bietet einen universellen Gesundheits-Hub an, der es Patienten und Ärzten ermöglicht einfach und sicher miteinander zu kommunizieren und Daten auszutauschen. Hierdurch soll die Behandlung von Patienten über die Ferne durch Ärzte der TeleClinic und externe Ärzte wie auch die Kommunikation zwischen Ärzten untereinander ermöglicht werden. Die TeleClinic setzt diese Versprechen durch die Implementierung neuester Technologien um und vereint dabei als momentan einziger Anbieter in Deutschland sämtliche gängige Kommunikationskanäle in einer Plattform.

Platz 3: Projekt "eNurse"


Projekt eNurse
     
Über den dritten Platz freute sich Herr Dr. med. Pötzl, Geschäftsführer der Unternehmung Gesundheit Hochfranken GmbH & Co.KG (UGHO), mit seinem Projekt „eNurse“.


In Deutschland werden in den letzten Jahrzehnten deutliche demografische Tendenzen sichtbar. Allein die medizinische Versorgung bedarf ein schnelles Handeln. Bei den niedergelassenen Ärzten ist, vor allem in ländlichen Regionen, die Altersstruktur so ungünstig, dass ein Drittel der Hausärzte in den nächsten 10 Jahren Nachfolger suchen. Eine flächendeckende und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung ist und bleibt ein wichtiger Baustein des deutschen Sozialsystems. Um aber auch für die Zukunft eine flächendeckende ambulante medizinische Versorgung erhalten zu können, müssen bereits jetzt Maßnahmen in Angriff genommen und umgesetzt werden. Moderne und vor allem innovative Versorgungsmodelle sind die wichtigsten Instrumente zur Sicherung der ärztlichen Versorgung für die Zukunft. Für die UGHO liegt der Lösungsansatz in der Telemedizin. Das Projekt eNurse wird einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Versorgung auf höchstem Niveau in der Region leisten. Vorerst soll das Projekt die medizinische Versorgung aller UGHO-Versicherten im Landkreis Hof, Stadt Hof und Landkreis Wunsiedel sicherstellen. Neben der Ärzteschaft der UGHO beteiligen sich zahlreiche Kooperationspartner aus der Industrie, Gesundheitswesen, Regierung und Forschung. Die Kooperation findet sowohl fach- wie auch sektorübergreifend statt. Die gemeinsame Zielsetzung des Vorhabens wird von alle Beteiligten durch einen Letter of Intent festgelegt. Die Endphase des Projektes soll es sein, die eNurse auch in andere Netzstrukturen und vor allem auch sektorübergreifend zu übertragen und in den Regelbetrieb zu überführen. Hierfür wurden die Strukturen der eNurse so konzipiert, dass alle an der Versorgung des Patienten Beteiligten vernetzt und eingebunden werden können, aber auch die Anpassung des eNurse-Konzeptes auf unterschiedliche regionale Gegebenheiten kein Problem darstellen.

Durch die geforderte hohe fachliche Qualifikation der eNurse ist sichergestellt, dass alle delegierten Tätigkeiten auch ausschließlich von entsprechend qualifiziertem und durch den Gesetzgeber zugelassenem Personal durchgeführt werden. Neben den üblichen Behandlungsmaterialien verfügt die eNurse über ein Notebook mit Touch-Display und spezieller Ausstattung für Videokonferenzen (eNurse, Hausarzt, Facharzt), wie auch telemedizinische Messtechnik zur Erhebung aller notwendigen Parameter wie auch in der örtlichen Hausarztpraxis.

Die eNurse ist kein Telemedzinprojekt im klassischen Sinne. Es bezieht sich viel mehr auf die Unterstützung der hausärztlichen Versorgung im ländlichen, durch den demografischen Wandel geprägten Raum. Dadurch, dass die Menschen immer älter werden, aber im Raum Hof gleichzeitig die junge Generation wegzieht ist auch die ärztliche Versorgung gefährdet. Auf Grund des entstehenden Arbeitspensums einer heutigen, ländlich geprägten Hausarztpraxis ist es fast gar nicht mehr möglich Nachfolger zu finden. Das Projekt eNurse soll hierbei auch dazu beitragen den Arztberuf für junge Familien wieder interessant zu gestalten. Nur wenn es möglich ist den Arzt zu entlasten, ohne dass ihm dadurch finanzielle Einbußen entstehen, wird es möglich sein die medizinische Versorgung zu gewährleisten. Hierbei darf die Qualität der Versorgung nicht leiden und muss eine entsprechende Qualifikation gefordert werden.